Empfehlung des Monats · Februar 2018
von Franziska Röchter
Ein bisschen gaga, ein bisschen dada, ein bisschen crazy – und sehr viel Esprit!
Von manchen schönen Dingen erfährt man erst, wenn man mit der Nase drauf gestoßen wird. So auch von diesem hochwertig aufgemachten und durchgängig mit Bildern versehenen Lyrikband von Gabriele Kromer aus 2017, der durch sehr charmante, in sehr verschiedenen Mischtechniken angefertigte Kunstgrafiken besticht, von denen viele etwas mit einem Hund zu tun haben – aber nicht alle.
Wenn man dem eingangs zu lesenden Interview mit Frau Kromer, dessen Interviewpartner nicht genannt wird (ich habe da aber so einen Verdacht) Glauben schenkt, dann ist der Band MANCHE HUNDE FLIEGEN ein Resultat der vielfältigen Traumwelt der Künstlerin, die sich bei ihr in Bildern und Texten manifestiert. Durchaus kann man Traumwelt hier mit Fantasie gleichsetzen. Bei den zu Kunstwerken gewordenen Traumbildern allerdings von bloßen Illustrationen sprechen zu wollen, träfe es nicht, denn nicht alle 34 Grafiken im Buch gehen eine unmittelbar erkennbare Korrespondenz mit dem jeweils linksseitig abgedruckten Text ein – manchmal erschließen sich diese Zusammenhänge erst nach mehrmaligem Betrachten – oder womöglich gar nicht. So auch die Worte Gabriele Kromers, die in dem im Buch vorangestellten Interview sagt: „Ich illustriere nicht. Die Grafiken haben ihr Eigenleben.“
Genau das erfährt man beim Durchblättern des Buches, wenn man nämlich nicht sagen kann, was eigentlich das wichtigere Element ist oder das dominantere: die relativ kurzen, aber oftmals mit prägnanter Aussage versehenen lyrischen Texte oder die manchmal den Charme von Kinderzeichnungen versprühenden, stellenweise cartoonhaften oder humorvoll-ironisch anmutenden meist farbigen Bilder, deren roter Faden nicht nur das immer wiederkehrende Hundewesen ist, sondern auch die besondere Beziehung zur Farbe Rot (auch z.B. im Text „Abendrot“), die bis auf wenige Ausnahmen in nahezu jedem Bild Anwendung findet, und sei es nur in Form der Künstlersignatur, eines kleinen roten Punktes oder eines Kreuzes bestehend aus zwei Strichen, die sich bei näherem Hinsehen als aufgeklebte Papierschnipsel entpuppen.
Was hat es nun aber mit den Hunden auf sich und wovon handeln eigentlich die Gedichte? Wie schon erwähnt: von Träumen. Von allen möglichen Aspekten des Lebens, nicht nur von Tiefschlägen, so die Künstlerin. So heißt ein Text Mein Kaffee und beschreibt in 2 Sätzen die absolute Wichtigkeit dieses Getränks. Ein anderer siebenzeiliger Text handelt vom Schweigen. Es geht um die Verlorenheit in der Großstadt, um den Tod, um Zigarettenwerbung, um abgeholzten Wald, um den gläsernen Menschen, wieder um den Tod.
Die Gedichte sind sehr kurz. Dafür manchmal umso pointenreicher.
Besondere Texte
Gefühlte Texte
sind
unerhört.
Die Sonne
Glutrot
küsste
die Sonne
die Nacht,
bevor
sie mit ihr
schlief.
Immer wieder nimmt man den schmucken, durch die farbigen Grafiken und die witzigen Darstellungen des Hundewesens (der manchmal auch ein Wolf ist, s. The wolf is back, oder sogar ein Fuchs – The lonely fox) zur Hand, möchte das Geheimnis um die Fliegenden Hunde ergründen (vielleicht sind es einfach nur Crazy dogs, wie die Vögel in dem 2015 von Gabriele Kromer erschienenen und mit Texten und Grafiken versehenen Bilder-Lese-Hör-Buch Vögel singen barfuß auch Crazy Birds sind) – aber es gelingt einem genauso wenig wie herauszufinden, wie viele Schichten diverser grafischer Techniken eigentlich aufgetragen wurden, bis die Künstlerin ein Bild als fertig deklarierte.
So bleibt der Band eines kleines Schatzkästchen mit Überraschungen, die Grafiken machen neugierig und neugierig und neugierig, bis man vergeblich versucht, des Rätsels Lösung im Dechiffrieren verschiedenster in den Grafiken eingeritzter Kritzeleien zu finden. Lassen wir es doch dabei: Der Band ist ein Gesamtkunstwerk aus Bild und Text, wobei die Bilder möglicherweise bis größtenteils sehr wahrscheinlich unabhängig von den Texten entstanden sind, aber meist gibt es eine punktuelle semantische Schnittmenge. Belassen wir es dabei, dass ich mir schlecht vorstellen kann, dass Gabriele Kromer für Tiere aller Arten nichts übrig hat.
Hören wir in das schon farblich bestechende 2015 erschienene Audiobook Vögel singen barfuß hinein. Bereits nach dem ersten Track Party Song möchte man das komplette Album hören. 18 Texte und 18 Grafiken werden dem Hörbuch vorausgeschickt, die Gedichte werden eindrucksvoll und dramatisch von dem Schauspieler Bernd Wengert verbal und von den beiden Musikern Kurt Müller (Akkordeon, Keyboard, Bass, Lap-Steel-Gitarre, Jodler) und Roy File (Klavier, Bass, Gitarre, Trommeln) sowie mit Spezialeffekten von Patrick Wind zu einem musikalisch-theatralischen Hörerlebnis in Szene gesetzt. Einige Texte wurden von den Musikern zu Liedern umgeschrieben, andere wurden zu musikalischen Klangereignissen; Szenen ferner Länder wechseln sich ab mit Elementen des modernen Theaters.
Hörprobe aus: Party Song, mit Bernd Wengert, Roy File, Kurt Müller
Hörprobe aus: Winternacht 1, mit Bernd Wengert, Roy File, Kurt Müller
Das Bilder-Lese-Hör-Buch ist ein fantasiereiches ästhetisches Gesamtkunstwerk, das leicht und witzig daherkommt, aber ernsten Hintergrund hat. Wer einfach mal Lust hat, sich auf Neues, Unbekanntes einzulassen, wer neugierig genug ist, sprunghaft und kurzweilig von Thema zu Thema getragen zu werden und wer nicht immer den ganz großen logischen Zusammenhalt in allem sucht, wird großen Spaß mit diesem Produkt haben. Ein bisschen gaga, ein bisschen dada, ein bisschen crazy – und sehr viel Esprit! Und vor allem: kein bisschen langweilig.
Gabriele Kromer, MANCHE HUNDE FLIEGEN
Gedichte und Bilder
Strube Verlag, 2017
ISBN 978-3-89912-202-2, Euro 18,00
Vögel singen barfuß
Ein Bilder-Lese-Hör-Buch von Gabriele Kromer
CD mit Bernd Wengert, Roy File und Kurt Müller
Strube Verlag, 2015
ISBN ISBN 978-3-89912-186-5, Euro 22,00
(c) Franziska Röchter