Konsumenten sind wir alle. Und sind wir auch kommerziell? Übersetzt man kommerziell mit geschäftsmäßig, geschäftstüchtig, dann kann das kaum für das Verfertigen von und noch weniger für das Handeln mit Gedichten stehen. Dabei gab es lange vor den Geldwechslern die Dichter. Doch scheint dies in Vergessenheit geraten zu sein. Denn kommt ein Herausgeber einer Lyrikanthologie – wie der Unterzeichner – auf die Idee, einen Unternehmenskommunikator einer sicher nicht genannt sein wollenden Kaufhauskette, die sich K wie Karstadt schreibt, zu fragen, ob er 130 Jahre nach der Firmengründung die Veröffentlichung von Gedichten zum Thema Kaufen & Verbrauchen mit einer Werbung in eigener Sache unterstützen mag, wird allein an der Form der Abweisung deutlich, dass das Wortgeklingel außerhalb des Herrschaftsbereiches des Kassenklingelns rangiert. Mit völligem Unverständnis und nicht weniger ablehnend reagierte der Centermanager eines bekannten Einkaufszentrums mit Gleisanschluss auf solch ein Ansinnen, wird doch seine mehretagige Marktmeile an Wochentagen stündlich von bis zu 12.000 Menschen frequentiert. Da kann nur ein Träumer sagen: Welch ein Potential an Lyriklesern! Dabei geht es all diesen Handelsmenschen ums Verbrauchen, etwas, was das Verkaufsgenie im gleichnamigen Roman des Autorenduos Vercors & Coronel bis zum Exzess getrieben hat. Wenn darin einem unmusikalischen Menschen ein Klavier aufgeschwatzt werden kann, kommt ein amusischer mit einem Lyrikband noch relativ glimpflich davon. Verbrauchen aber ist etwas, was Lyrik im Grunde fremd ist. Wirkliche Dichtung nutzt sich nicht ab und kommt auch nicht von der Stange. Sprache hat keine Öffnungszeiten und benötigt auch keine Ankleidekabine. Allerdings heischt Dichtung, wird sie zur Ware, nach Aufmerksamkeit. Wie heißt es bei André Morys, dem E-Commerce-Kenner und Marketing-Optimierer? „Die richtigen Kaufanreize und Trigger müssen zur richtigen Zeit kommen.“ Sicher ist Lyrik auch saisonal, und wenn das Experiment gewagt würde und man Büchertürme aus Lyrikbänden bauen und lauthals bewerben würde (vorausgesetzt der Verfasser lieferte vorab einen Eklat), erzeugte das Angebot garantiert auch eine Nachfrage. Aber welcher Händler tut das?
Ralph Grüneberger
Autoren
Wilhelm Bartsch, Thomas Böhme, Peter Bornhöft, Volker Braun, Friedrich Christian Delius, Doris Distelmaier-Haas, Julietta Fix, Peter Gosse, Jochen Griebe, Christel Guhde, Elisabeth Hackel, Monika Hähnel, Margarete Hannsmann, Gisela Hemau, Dieter Höss, Mirela Ivanova, Christine Kayser, Eva Lehmann-Lilienthal, Sigrid Lichtenberger, Joanna Lisiak, Hartmut Löscher, Karl May, Bert Papenfuß-Gorek, Jutta Pillat, Jürgen Polinske, Francisco de Quevedo, Helmut Richter, Hans-Peter Rinke, Wolfgang Rischer, Rainer Strobelt, Hans-Ulrich Treichelt Kurt Tucholsky, Jan Wagner
ISBN: 978-937264-73-8, Preis: € 4,80
Erste Pressestimmen
Konsum & Kommerz: Neues Poesiealbum beschäftigt sich mit dem Kaufen und Verkauftwerden Es ist ein guter Moment, um inne zu halten. Die Einzelhändler haben sich ja schon vorgefreut. Die Bürger kaufen so viel, wie selten in den letzten Jahren.
(Ralf Julke, Leipziger Internetzeitung v. 22.12.11)
„Konsum & Kommerz“ ist die zwölfte Publikation aus der Lyrikreihe „Poesiealbum neu“ der Leipziger Edition „kunst & dichtung“; und bei all den sibyllinischen Themenkomplexen, die die Literaturzeitschriften so ausschreiben, und in denen sich dann alles oder nichts wiederfindet, fühle ich mich von der aktuellen politisch-brisanten Dimension, die der Hefttitel verspricht, sofort angesprochen und meine Erwartungshaltung wird tatsächlich in keiner Weise enttäuscht.
(Dominik Dombrowski, Fixpoetry, 49 KW 2011)