Empfehlung des Monats · Februar 2019
von Michel Ackermann
Vielleicht kann Lyrik uns das geben: eine sprachliche Zuwendung und Trost dort, wo sich Infotainment, Gossip und unbestellte Welterklärung letztlich im wortreich-bildhaften Luxus aufgenötigter Sprachlichkeit von uns abwendet, ja, uns gar gedemütigt und verletzt hinterlässt. Und wo sich eine häufige Desillusionierung von Politik und ihren Religionen letztlich ebenso von uns abwendet – weil wir als Einzelwesen nun mal nicht wichtig genug sind, ersetzbar und selbst als “very important person“ nicht in tieferem Sinnbezug von systemischem Interesse.
À propos Religion: Anders als der vielleicht etwas “trashig“ anmutende Titel dieser lyrischen Zuwendung singen die Gedichte von Peters in einer Sprache, die offene Herzen von offenen Denkern erreicht. Denn sie spricht assoziativ-einfühlsam von der Welt, ihren Menschen und deren Leben, ihrer Politik und Religion. Dabei geht es nie belehrend oder altklug zu und es fehlt der selbstverliebte Fingerzeig lyrischen Understatements. Andreas Andrej Peters sucht die Poesie der lyrisch verkürzten, auch teilweise erfrischend lakonischen Erzählung und verfällt dadurch nie in narrative Redundanz. Das ist ihm sehr gelungen. Chapeau!
Lesen und hören wir hier nur kurz in den Anfang des Gedichtes “Bungeespringen“ hinein:
der regenbogenkinder. im hohen / bogen. viktoria’s freie fälle. vor so viel / vorsprung des lichts & donnerrauschs / verspringt das herz auf zehenspitzen // der glaube ahnt den bogen bevor ein / tropfenpfeil den wolkenköcher verlässt / (…)
Das ist nicht nur bildstark geschrieben, sondern auch eine Eröffnung, die den Leser mitnimmt in eine 5-strophige Assoziation darüber, was die überbordende Möglichkeiten-Welt heutiger Tage noch von der Welt der Bibel hält und halten mag – und was unsere in sinn-vermeidende Sinnlichkeit verführte Wahrnehmung noch an Erinnerung, Erkenntnis und Erfahrung zur Verfügung hat in einer Welt, die uns auf allen Kanälen durchdringt, um uns umso fremder zu hinterlassen. Das geschieht (siehe oben) mit den vorliegenden Versen nicht. Manches mag uns unvertraut erscheinen. Und weckt doch vermutlich in den meisten ein Gefühl des: “Ach ja, stimmt, auch aus dieser Welt stamme ich.“ Die lyrische Weltsicht des Theologen, Philosophen, Krankenpflegers und Seelsorgers Peters, der auch als Autor und Lyriker der Welt wirkungs- und erfolgreich zugewandt ist, ist jedenfalls eine, die es zu erkunden lohnt.
Andreas Andrej Peters, Rum & Ähre, Gedichte
ISBN 978-3-943292-69-5, 120 Seiten
chiliverlag, Euro 10,90