Empfehlung des Monats · Dezember 2018
Weihnachtsempfehlung von Jule Weinrot
Jedes Jahr wieder fragt sich die Gemeinschaft der DAS GEDICHT-Anhänger aufs Neue, womit Anton G. Leitner wohl diesmal überraschen wird. Hat er sich doch mit Melanie Arzenheimer, erste weibliche Spitze in der Präsidiumsliga der legendären Literatenvereinigung Münchner Turmschreiber und 2009 allererste Preisträgerin des mittlerweile zum Lyrikstier umbenannten publikumsträchtigen Spoken-Word-Lyrikwettbewerbs Hochstadter Stier, erstmalig eine Frau als Mitherausgeberin an Bord geholt,
die durch ihre jahrelange redaktionsleitende Tätigkeit bei verschiedenen Bayern-relevanten Magazinen über reichlich editorische Erfahrung und als Dichterin gleichzeitig über das nötige lyrische Fingerspitzengefühl verfügt.
Dass DAS GEDICHT nun erstmalig aus zwei Bänden in einem besteht und laut Melanie Arzenheimer (Editorial Der poetische Dreh) der geneigte Leser richtungsweisend bei der Frage ist, mit welchem Band denn nun begonnen werden sollte und ob die durch das Wendebuch nun zweifach vorhandenen Vorworte (jeweils eins von einem der beiden Herausgeber) nun als solche oder eher als Schlusswort gelesen werden, stellt sicher kein Indiz dafür dar, dass sich die beiden Herausgeber bei der Fülle an Einsendungen womöglich nicht auf eine inhaltliche Richtung einigen konnten, sondern ist als Geniestreich anzusehen, der aufs Vortrefflichste das Anliegen dieses anthologischen Werkes, den poetischen „Drehmoment“, den Wendepunkt sowohl in persönlicher als auch historischer Sicht, nach außen sichtbar macht. So wie auch die kongeniale Covergrafik – hält man zwei gleichfarbige Cover einmal umgekehrt gegeneinander, so ergibt sich eine Endlosschleife, das mathematische Unendlichkeitszeichen – u.a. vorzüglich demonstriert, dass es in der Poesie vor allem dieses Gesamtbandes auf Dinge ankommt wie das Durchbrechen möglicher Teufelskreise, gleichzeitig aber auch auf Ewigkeit und Beständigkeit, von Poesie als solcher dargestellt, auf Ganzheit, wie sie oftmals noch bei Kindern zu finden ist … treffen doch jeweils in der Mitte des Buches ausgerechnet Gedichte für Kinder, sorgfältig ausgewählt von Uwe-Michael Gutzschhahn (2018: Großer Preis der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur e. V. Volkach sowie Deutscher Jugendliteraturpreis – Sonderpreis Gesamtwerk) aus beiden Seiten des Buches zusammen und schließen somit den Kreis.
Was sind die Themen in Der poetische Dreh?
Wenig soll verraten werden, aber Zentrales wie Geburt und Tod kommen vor, Trennungen, Abschiede, Ereignisse, die das Leben auf den Kopf stellen (z.B. Als du vom Klingeln hochschreckst von Michael Augustin, in dem es einige Tage braucht, bis die Endgültigkeit des Todes beim Lyrischen Ich, als Du getarnt, wirklich ankommt).
Und auch im Teil Wendepunkte wird– neben historischen Ereignissen wie Mauerfall, Wende, Präsidentenwahl – der Tod trotz literarischer Versuche zur Augenwischerei nicht ausgeklammert („… auch / flüssig verabreichte schmerzmittel schenken ein / bild der gelassenheit das den verwandten und / freunden ein furchtloses lügengebäude vom / leichten verscheiden weich zeichnet …“ aus: Gabriele Trinckler, hospiz).
Eine interessante und optisch bestechende Sammlung mit vielen bekannten Namen, bei der man zwei für eine bekommt, mit der Zusammenstellung der Kindergedichte (laut Uwe-Michael Gutzschhahn ein „Feuerwerk und ein Spielplatz der Sprache und ihrer Möglichkeiten …“) zusammen genau genommen drei, zum Schmökern, Entdecken, Erinnern, Wiederlesen, am besten im Dreier-Abo inklusive Vorfreude auf die nächsten beiden Ausgaben.
DAS GEDICHT
Melanie Arzenheimer / Anton G. Leitner (Hrsg.)
Der poetische Dreh | Wendepunkte
Mit einer Gedichtauswahl für Kinder von Uwe-Michael Gutzschhahn
176 Seiten (Wendebuch, 2 x 88 Seiten)
€ 14,00 [D] / € 14,40 [A] • November 2018
ISBN 978-3-929433-84-5