Lyrische Spiegelungen Shakespeares

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Tobias Döring (Hg.): Wie er uns gefällt. Gedichte an und auf William Shakespeare
Lyrik-Empfehlung des Monats · August 2016

Der an der Münchener Ludwig-Maximilians-Universität lehrende Anglist Tobias Döring, der zeitweise auch Vorsitzender der Deutschen Shakespeare-Gesellschaft war, hat eine Jubiläumsanthologie mit Gedichten ediert, die auf Shakespeares Person, Werke und Rezeptionsgeschichte Bezug nehmen. Der Band gedenkt Shakespeares 450. Geburtstags (23.4.2014), seines 400. Todestags (23.4.2016), des 150. Jahrestags des Bestehens der Deutschen Shakespeare-Gesellschaft (23.4.2014) sowie des 70. Verlagsgeburtstags des Manesse Verlags (2014).

Döring, der seiner Sammlung ein informationsreiches Nachwort beigegeben hat, vereinigt lyrische Kommentare, Ehrerbietungen und Publikumsstudien aus mehreren Sprachen (mit Übersetzung). Zu den illustren Beiträgern gehören weltliterarische Größen wie Victor Hugo und Vladimir Nabokov sowie nachhaltig wirkungsmächtige Lyriker von der Shakespearezeit bis zur unmittelbaren Gegenwart. Originalbeiträge, u.a. von Durs Grünbein, Ursula Krechel und Friederike Mayröcker, nehmen dem Band das Odium des Archivarischen.

Gattungsprägende Texte wie Arthur Rimbauds Ophélie eröffnen ein ganzes Kapitel mit nachfolgenden Figurengedichten, unter denen sich auch bekannte Beispiele expressionistischer „Wasserleichenpoesie“ von Georg Heym (Ophelia), Gottfried Benn (Schöne Jugend) und Bertolt Brecht (Vom ertrunkenen Mädchen) befinden.

Unter Shakespeares Figurenensemble ist Hamlet für viele Lyriker der faszinierendste Charakter. So ist auch Ferdinand Freiligraths Hamlet-Gedicht, das mit der berühmt gewordenen Losung „Deutschland ist Hamlet!“ einsetzt und die politische Lethargie im damaligen Deutschland mit dem Zaudern des Dänenprinzen parallelisiert, aufgeführt.

In der Anthologie überwiegen deutschsprachige Gedichte an, auf und über Shakespeare, darunter Theodor Fontanes Zitatgedicht Die Brück‘ am Tay, Ingeborg Bachmanns Böhmen liegt am Meer und Günter Kunerts Theatrum Mundi.

Außergewöhnlich ist die lyrische Auseinandersetzung mit Shakespeare von Armin Senser, der 2011 unter dem Titel Shakespeare. Ein Roman in Versen eine poetische Biografie publizierte, aus der Döring einen Auszug präsentiert.

Wie jede Anthologie entfacht auch die vorliegende Sammlung eine Eigendynamik von motivischen Relationen und Querverbindungen. Da es sich bei der obersten Bezugsgröße um Leben und Werk des wirkungsintensivsten Dramatikers der Weltliteratur handelt, sind die Ergebnisse der lyrischen Annäherung oft von erhöhter Brisanz. Trotzdem gibt es auch Texte, die bodenständig-ironisch formuliert sind. Ein Paradebeispiel sind die Verse von Ulrich Bräker (1735-1798):

 

Etwas über William Shakespeares Schauspiele

Wann man dich auch citiren kann,
Komm doch ein Weil zu mir,
Und gönne mir, du großer Mann,
Ein kurz Gespräch mit dir.
Hört uns das Gsind und spottet mein,
So bitt ich, hilf du mir.
Ich will dir dann dein Rüpel sein,
Sonst kann ich nichts dafür.

 

Wolfgang Braune-Steininger

Tobias Döring (Hg.), Wie er uns gefällt. Gedichte an und auf William Shakespeare. Zürich: Manesse Verlag 2014. ISBN 978-3-7175-4086-1.