Leipzig im März

Veröffentlicht in: Gedicht des Monats | 0

Gedicht des Monats · März 2015

Tanja Dückers

Leipzig im März

Am Buchmessesonntag die Straßen
still und nebelverhangen
Vor mir zwei Verschwommene
Punkte
Ich komme näher   meine Stiefel
schlagen auf das Pflaster
Versuch im Nebel
sich wenigstens zu hören
Vor mir spazieren zwei Frauen
Zwillinge   vielleicht
siebzig Jahre alt
die bis in das kleinste Detail hinein
die gleiche Kleidung tragen
Sie laufen dicht beieinander
ihre grünen Krokodilledertaschen
schaukeln rhythmisch   ihre knallorangenen
Kappen wippen mit ihren Schritten
lila schillern ihre Schühchen
klein sind die beiden
Im Nebel laufe ich
einfach nur ihnen hinterher
ziellos hefte ich mich an
das unhörbare Klackklack der vier
Puppenschuhe
Dann biegen die Doppelten
in eine andere Straße
verschwimmen im weichen Schatten
einer Toreinfahrt tauchen
unter ins Dunkle
Ich laufe weiter
durch Watte
hinter den Anderen Einsamen
die durch den weißen stillen Sonntag treiben
auf der Suche oder Flucht wie auch
immer


© Tanja Dückers

Quelle: Poesiealbum neu, 1/2015 “O Freude. Leipzig im Gedicht”