Gedicht des Monats · November 2015
Frank Norten
LEIPZIG HELDENSTADT am 9.11.2014
einen ort zu nennen
der uns heute gegeben ist
und morgen verraten sein wird
leipzig soll sein soll bleiben sollte
unkenntlich werden
mendelssohns piano steht noch dort
bloss nicht noch ein grab mit
lateinischen lettern
als erinnerung
an das was war
und nichts blieb als dies
ein paar lateinische lettern am
deutschen dom weit im osten
nahe den preussischen siegen
nimm hier die abgebroch´ne paulinerkirche
keine niemals versöhnung darum
verfalle vergangenheit
verfliesse du gehirnliches elend
nimm mit die genossen die
gnadenlosen
kalk in den kurzsichtigen augen bis heute
honeckers ochsen und esel auf mustermessern
sind verschwunden
leipzigs gewandete strassen säumen
die hohen häuser wieder
erglänzend
der bürgerlichkeit noch geteilt
immer erhaben die thomaskirche
krenzdebil der rest
ein sehr schaler rest der da bleibt
das kreuz mit der wahrheit
der kapitalistische deus ex machina kam
ungefragt
schneller schnellzug ohne führer
ohne moral alles geld
elegant die herren vom rotary club
neonreklamen beleuchten den weg
ins porschezeitalter
und die trinker im kopfbahnhof
aus meinen händen das
entwendete buch
dir leipzig helle stadt
© Frank Norten
Quelle: Poesiealbum neu, 1/2015 „O Freude. Leipzig im Gedicht“