Jörn Sack (Hg.): Zweijahresbuch der politischen Lyrik 2022/23

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Juli 2023 – Empfehlung des Monats von Renate Maria Riehemann

„In allen Wörtern, / Worten / tickt es heimlich, / nicht?“ (Jörn Sack)

Flucht, Migration und damit verbundene humanitäre Probleme haben einige Jahre die politische Lyrik dominiert. Hinzu gekommen sind aktuell die Klimakrise, die Thematik des russischen Angriffskriegs, der Kriege überhaupt in ihrer ganzen verheerenden Bandbreite. Ein prägnantes Beispiel ist folgendes Gedicht von Ralph Grüneberger:

Wir Zuschauer. / Es ist Krieg

Es dauert nicht lange

Und aus dem besetzten Funkturm fällt die

Verschossene Worthülse

Vom Kriegsrecht.

Auf beiden Seiten

Leuchtet der rote Knopf.

Das Zweijahresbuch der politischen Lyrik 2022/23 wurde zum Abschluss der diesjährigen Leipziger Buchmesse im Schillerhaus vorgestellt, in einer Lesung, in deren Mittelpunkt die dort verfasste ‚Ode an die Freude‘ als politisches Gedicht stand. Der Band schließt an die entsprechenden Veröffentlichungen von Gedichten der Sieger der Wettbewerbe für politische Lyrik in den Jahren 2009 bis 2019 an.

Jörn Sack, der Initiator des Wettbewerbs für politische Lyrik und Herausgeber des Zweijahresbuches 2022/23: „(Die Gedichte) bewiesen, dass mit der politischen Lyrik, die lange Zeit kaum mehr zu vernehmen war, als ernsthafte Gattung der Poesie wieder zu rechnen ist. Die Vielfalt der Themen … sowie der einerseits anklagende, bei anderen eher melancholische und bei wieder anderen offen spöttische Ton machen den Reiz des Bandes aus.“ Er enthält Gedichte von fünfzehn Autoren und Autorinnen.

Die Gedichte von Jan-Eike Hornauer zum Beispiel kommen, wie seine Gedichte zumeist, gereimt daher, was mich beim Lesen zunächst irritierte, dann aber durch die Widersprüchlichkeit von Rhythmus sowie Reim und Inhalt tatsächlich in der Aussage festhielt. Hier ein Auszug aus einem Sonett von ihm:

Russlands Niederlage im Krieg gegen die Ukraine

Es plündern, vergewaltigen und morden

Des Ober-Kremlings wildgemachte Heere.

Und all die Schande heißt man einfach Ehre

In Moskau und verleiht für sie noch Orden.

Man will zerstören – und sich selbst erheben.

Und tötet auch in sich so alles Leben …

Weiter finden sich im Buch Gedichte von Philipp Beyer, Wolfgang Mayer König, Christel Mey. Susanne Müller, Martin Liechti, Richard Pfund, Rainer Rebscher, Clemens Schittko, Christiane Schwarze, Juliane Sobing, Walter Stonet, Jürgen Völkert-Marten, Winfried Wolf.

Die Sammlung politischer Lyrik im Zweijahresbuch ist lebensbejahende, aktive Lyrik, nimmt sich innergesellschaftliche Konkurrenzen um politische (und so auch religiöse) Macht zum Thema und tritt als Zeugnis der Zeit in der Stimme der Dichter und Dichterinnen, in ihrer ganz persönlichen Parteilichkeit in die Öffentlichkeit, um zu wirken. Diese Lyrik ist unbedingt empfehlenswerte, wenngleich schwere Kost, und kann gewiss nicht in einem Zuge gelesen und verdaut werden.

Jörn Sack
Zweijahresbuch der politischen Lyrik 2022/23
nicht über den Buchhandel, sondern nur direkt beim Verlag erhältlich
WWW.EDITION-BODONI.DE
48 Seiten
12 €