Wolfgang Rischer (*1935)
Die Dömitzer Brücke
1
Weitgespannt über die Elbniederung
wo wir innehalten, die Karte zurückübersetzen
in die Wirklichkeit
(eine Daumenbreite, das ist
Eine Landschaft)
am Deich beginnt sie, der wir folgen, die
Brücke, die jäh
abbricht ins Nichts, unter uns
vor uns der Strom
Dies also ist der Rand der Republik
im Dornröschenschlaf, den wir stören
: Bleigraues Band der Elbe, Lichtreflex
Weite, die schmerzen muß
drüben –
jenseits das Ufer Wiesen so leer & fotostill
wir sehn Betonpfähle & Metall, dahinter flußauf
gedrängtes Dächerrot Kirchturmgrau so nah so fern
: Die Gedanken eine Furt
2
Verlassene Gegend, was suchen wir hier
wenn nicht den historischen Fluchtpunkt
Erschrecken, das ins Gedächtnis ragt.
Der Schlag
gegen Stahl lang in der Luft, der Nach-
hall von Geschichten in meinem Kopf
: Ut mine Festungstid – drüben, siehst du, das
ist der Ort, bewacht jetzt
das Land
Wirklichkeit ist auch das Fehlende, ist
was nicht ist. Das Winken ist noch immer
keine Brücke. Wir
sehn, eh wir gehen auf leisen Sohlen, den
alten Pfeiler im Strom, nicht tragfähig
genug
für ein Versprechen
Wir gratulieren unserem langjährigen Vorstandsmitglied
(1999-2018)zu seinem 85. Geburtstag, den er in diesem Monat
coronabedingt im viel zu kleinen Kreis feiern wird.
Umso mehr wünschen wir Gesundheit und darüber
hinaus viele weitere Gedichteinfälle.