Franziska Beyer-Lallauret: Falterfragmente / Poussière de papillon

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Dezember 2022 – Empfehlung des Monats von Ursula Maria Wartmann

Keine Frage: Sie ist sich treu geblieben. Nach „Warteschleifen aus Holz“ legt die Lyrikerin  Franziska Beyer-Lallauret einen nächsten Gedichtband vor, der erdig und rätselhaft daherkommt. Zweisprachig außerdem: Falterfragmente / Poussière de papillon ist sein Titel; kongeniale Bilder von Johanna Hansen erweitern das Lesevergnügen.

Es geht um Kindheit, um Heimat. Um Natur und Landschaft, um bäuerliches Leben von einst, das die Kindertagträume umhüllte. Um Rückkehr geht es, hier und heute, und immer wieder um Erinnerung.

Wir gehen zurück ins Haus

Klauben Spieldosen aus wurmstichigen Truhen

Glauben gerne wieder an Wesen

Die Federn an hängende Schultern heften

(Aus: „Allerheiligen“)

Jedes der 35 Gedichte, sie sind in sieben deutsch-französische Zyklen unterteilt, kommt ohne Satzzeichen aus. Mögliche Irritation, die auch durch Zeilenumbrüche ausgelöst werden, erweitern und verändern den Horizont, bereichern das Empfinden. Auch der kleinteilige Blick Beyer-Lallaurets lässt immer wieder aufhorchen, wie in „Frommer Wunsch“:

Holzwürmer singen ein knisterndes Lied

Von Häusern wie diesen

… und auch der Verfremdung liegt ein sehr besonderer Blick auf die Dinge zugrunde:

Im Giebel unter den Balken die Treppe

Zieht manchen von uns die Füße fort

Surreale Bilder immer wieder – auch im nächsten großen Thema, der Beziehung eines Ich zu einem Du. In „Euphorie“ wird offenbar Gedankenspielen der Garaus gemacht:

Zehn Zentimeter überm Linoleum

Schweben die schönsten

Verschwendeten Gedanken

Die rupfst du mir aus

Den Schultern sie wachsen

Wie Unkraut sagst du

Das Thema Liebe – immer wieder spannungsgeladen; es geht um Herrschaft, Ohnmacht, Macht und Konkurrenz:

Mich hältst du immer noch für den Garten

Und dich für den Wald

Du kennst meine Finsternis schlecht

Ich kann jetzt den Hexenstich

(Aus: „Übermut“)

Und immer wieder Metaphern, dicht gewebt und treffsicher, kluge ausgeklügelte Bilder wie dieses aus „Trompe-l’oeil“:

… im Weichbild

Halbleerer Häuser am Marktplatz

Wo kalte Frauen in bunten Schürzen wohnen

Das macht vor kalten Frauen schauern. Großes Vergnügen bereitet auch der wortspielverliebte Humor, der immer wieder aufblitzt, frech und blitzschnell. So wie in „Nachlass“:

Blätter stehen in keinem

Letzten Willen werden

Dir folgen übern Jordan

Den Finken geht das vorbei

An den Hinterfedern

Ha! Hinterfedern! So witzig kann Lyrik auch sein! Große Empfehlung.

„Falterfragmente / Poussiére e papillon“ von Franziska Beyer-Lallauret, mit Bildern von Johanna Hansen und einem Nachwort von Patrick Wilden.

Hardcover mit Fadenheftung. Dr. Ziethen Verlag Oscherleben 2022