Empfehlung des Monats · November 2018
von Franziska Röchter
Kein geringeres Ereignis als das 80-jährige Jubiläum des Leipziger Wortkünstlers, Dozenten, „Daidalos“ (Thomas Böhme) der Poesie und „Satyr aus Sachsen“ (Leipziger Internetzeitung*), Peter Gosse, diente als Anlass für die Veröffentlichung eines neuen literarischen Produktes der Gesellschaft für zeitgenössische Lyrik e.V. unter der Herausgabe Ralph Grünebergers: Die besondere Edition. In ihrer Nr. 1 kommen Wegbegleiter, Schüler, Künstlerfreunde, Verehrer und Zeitgenossen eines Dichters zu Wort, der wie kein anderer als „Lobender“ der literarischen Leistungen anderer das Können seiner poetischen Zeitgenossen und Schüler würdigt und den Ruf eines lebenslust- und leidenschafts-vollen Dichters und Wohltäters (Helfried Strauß) innehat.
25 Autorinnen und Autoren haben Peter Gosse zum Achtzigsten Gedichte, Kurzessays, Miniaturen und Briefe gewidmet oder an ihn gerichtet. Die stark limitierte „Normalausgabe“ (80 Ex.) enthält den Abdruck einer Zeichnung von Gerhard Kurt Müller, die streng limitierte Sonderausgabe (20 Ex.) enthält überdies Originalgrafiken der bildenden Künstler Sighard Gille, Ulrich Hachulla, Karl-Georg Hirsch, Rolf Münzner und Volker Stelzmann, die eigens für Peter Gosse und die erste Sonderedition der GZL gestochen bzw. geschnitten wurden, wovon ein Blatt in der Werkstatt von Bettina Haller in Chemnitz, die anderen vier Blätter in Hohenossig in der Kunstdruckerei Rössler gedruckt wurden. Diese hochexklusive Ausgabe dürfte umso mehr für echte Sammler und Kunstliebhaber von Interesse sein.
Dass die erste besondere Edition optisch im Design eines grünen Schulheftes oder besser Klassenbuches aus den Siebzigerjahren daherkommt, mag durchaus mit der Rolle Peter Gosses als langjähriger Lehrender am Leipziger Literaturinstitut „Johannes R. Becher“ zu tun haben und soll möglicherweise die Verbeugung der im Heft schreibenden „Schüler“ vor ihrem Lehrmeister signalisieren.
Denn was schreiben die ausgewählten Autorinnen und Autoren zu Ehren des Dichters? Einige versammeln Anekdoten aus früheren Zeiten, Begegnungen mit Peter Gosse und seinen rasanten Gedankenflüssen in Werkstattgesprächen („… nicht immer anstrengungslos; aber es war eine immer lohnend-inspirierende Anstrengung …“, Hans Georg Bulla) und betonen den großen Erkenntnisgewinn, den sie aus diesen Begegnungen zogen. Andere konzentrieren sich auf Peter Gosses „Singularität“, auf seine „einzigartige Position“ als Dichter, dessen kreativer Impetus, die eigene „Lebenslust und Lebenskunst“, Parallelen zum „Goetheschen“ aufweise (Friedrich Dieckmann) und der „… den Nimbus eines der großen Erotiker in der deutschsprachigen Gegenwartslyrik für sich beanspruchen“ darf (Peter Geist über „Gosses Leiblyrik“ anhand einer Analyse des Gedichtes „Für Helga“). Wieder andere beschwören Mythologien und Analogien des Dichters zu mythologischer Prominenz herauf („Daidalos in Knossos“, Thomas Böhme) oder verdeutlichen das vielgepriesene „Barocke“ des Dichters mittels fabulöser Historienszenerien aus luxuriösen Zeiten am sächsischen Hofe (Jens-F. Dwars). Kerstin Hensel erinnert sich nicht nur an die „wortschweifigen Wodka- und Rotweinabende“ mit Peter Gosse während ihres Studiums am Literaturinstitut, auch wenn sie am Ende ihres Beitrages imaginär das Glas mit ihm anhebt. Köstlich Jürgen Jankofskys Erinnerungen an diverse Peinlichkeiten unbewussten Plagiierens aus einer prä-digitalen Welt mit wesentlich bescheideneren Recherchemöglichkeiten. Und auch die Stasizeiten, in denen ein Peter Gosse („Ein Mann mit Haltung“, Klaus Pankow) der „hohen Gesellschaftsgefährlichkeit“ bezichtigt wurde, kommen nicht zu kurz.
Dazwischen immer wieder Gedichte (u.a. „An Gosse“, André Schinkel, „Chilenisches Requiem 1973“, Helmut Richter) sowie einige schwarz-weiße Zeitzeugen-Fotografien aus dem letzten Jahrhundert.
Alles in allem wurde mit dieser besonderen Herausgabe der Lyrikgesellschaft ein äußerst interessantes Kapitel Leipziger und sächsischer Literaturgeschichte zusammengetragen, die ihresgleichen sucht. Hier werden durch Zeugen und Laudatoren Zeiten einer schriftstellerischen Existenz lebendig, in der Autoren teilweise trotz Zensur und ohne die heutigen vielfältigen Möglichkeiten digitaler Medien mittels herausragender Persönlichkeitsmerkmale, Integrität und eines besonderen Wortschliffes (Peter Geist beschwört das Bild eines aus Schreib-Graphiten abgepressten Diamanten herauf) den Bekanntheits- und Bedeutungsgrad erlangen konnten, den sie erlangten. Nebenbei erscheint es mir eine wundervolle Geste, Künstlern zu Lebzeiten die ihnen angedachte Ehrerbietung entgegenzubringen. Dem Dichter seien noch viele schaffensreiche Jahre gewünscht.
Zwischenzeitlich kann der Neugier auf den Inhalt einer zweiten besonderen Ausgabe im Rahmen dieser Sonderedition ausgiebig Raum gegeben werden.
* Rezension der Leipziger Internetzeitung vom 21.10.2018
Die besondere Edition
Grafik-Ausgabe der Zeitschrift “Poesiealbum neu”
in der Edition kunst & dichtung, Leipzig 2018
der Gesellschaft für zeitgenösssiche Lyrik e.V.
Nr. 1 / Peter Gosse zum Achtzigsten
ISSN 2193-9683