Holger Brülls: „böser garten”
„Gedichte sind gemalte Fensterscheiben“, schrieb Goethe 1824 in dem gleichnamigen Gedicht. Von außen erscheine der innere Raum „dunkel und düster“, aber innen „ist‘s auf einmal farbig helle“. Holger Brülls, im Alltagsberuf Kunsthistoriker, Denkmalpfeger und Kurator, besingt in seinen Gedichten nicht das vermeintlich Helle und Heilige. Seine nüchtern anti-romantischen Verse arbeiten gegen jegliche Verklärung der Gegenwart, sie nötigen zur Wahrnehmung sehr unheiliger Verhältnisse. Wie im Titelgedicht „böser garten“ elementar-irdische Triebkräfte gedeihen, so wuchern sie auch in der Welt. Und doch ist sie ein Garten von merkwürdiger, manchmal rührender Schönheit. Das Ausleuchten der entzauberten Welt in alltäglicher, manchmal schnoddriger und absichtlich nicht gehobener Sprache, ist eine andere, eine zeitgemäße Form der Sehnsucht.
böser garten
hass und wut und gier und zorn
fleischfressende pflanzen wachsen
in mir scheußlich böses unkraut
alle ekel erregenden blumen
flammenwerfer harke gift
da nützt alles nichts aber
ich bin trotzdem
ein garten
Holger Brülls
böser garten
Gedichte mit einer Zeichnung von Gerda Lepke
Die weiße Reihe, Band 24
quartus-Verlag Bucha bei Jena 2024
88 Seiten, Klappenbroschur, EUR 15
ISBN 978-3-947646-57-9