Gedicht des Monats Oktober 2021

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Dieter Treeck (*1936)

Es hängt mein Hut noch im Café

     Schau´n Sie mich an: Ich stehe auf der Straße

     mein Stammplatz im Café ist raucherfrei

     wen stört die Pfeife? Es war doch in Maßen

     Nun sorgt sich um mein Wohl die Polizei – Vorbei!
 

Das kleine Schild mit meinem Namen

such ich vergebens am vertrauten Ziel

Vorbei der frühe Flirt mit späten Damen

nun treibt ein Paragraph mich ins Exil

Ach, blauer Dunst nur, Quelle heit´rer Verse

die Dunhill gab der hohen Stirn Profil

Hier hilft kein Fleh´n und keine Kontroverse

und laute Töne waren nie mein Stil

Dies war der Ort, wo mich die Muse küsste

und in Gedanken Steffi vom Büfett

Vielleicht, wenn sie von meinen Träumen wüsste

gäb´ sie mir ein Stück Hoffnung zum Kaffee

Hier bin ich oft bei Sacher schwach geworden

für Käse-Sahne fiel mein letztes Hemd

doch die Charlotten haben mich umworben

im Paradiese, das mein NEIN nicht kennt

     Mein Wohnrecht im Kaffeehaus ist erloschen

     Schau´n Sie mich an: Es tut noch immer weh

     Die letzten großen Phrasen sind gedroschen

     nun hängt mein Hut noch einsam im Café

     Ach, schau´n Sie weg! Ich hab die Faxen dicke!

     Wer mich nicht will, der tut sich selber weh!

     Und ehe ich am Mitgefühl ersticke

     hol ich mir jetzt den Hut aus dem Café

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Herzlichen Glückwunsch unserem Mitglied Dieter Treeck

zum 85. Geburtstag. Wir wünschen ihm als Verfechter der Kaffeehaus-Literatur

noch viele „Musenküsse“.