Datum/Zeit
08.12.2017 - 03.03.2018, 0:00
Veranstaltungsort
Stadtbibliothek Leipzig, Leipzig, Wilhelm-Leuschner-Platz 10-11
„FÜNFZIG/FÜNFUNDZWANZIG“- 8. Dezember 2017 bis 3. März 2018
Die Stauseelesung 1968
Im Sommer 1968 initiierte der Bootsfahrergehilfe Siegmar Faust eine Lesung auf dem Leipziger Elsterstausee. Die Lesung in den Abendstunden des 26. Juni war nicht angemeldet und verstieß damit bereits gegen die Rechtsauffassung der DDR. Zu den etwa 30 Teilnehmern bzw. Gästen der Lesung gehörten Gert Neumann, Andreas Reimann, Heidemarie Härtl, Bernd-Lutz Lange, Dietrich Gnüchtel. Faust eröffnete die Lesung mit Auszügen aus dem Parteiprogramm der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei. Gelesen wurden danach poetische Texte der Teilnehmer Kristian Pech, Siegmar Faust und Friederike Techel. Erstmals trug auch Wolfgang Hilbig, außerhalb des Zirkels schreibender Arbeiter „Heinz Rusch“, Gedichte von sich vor.
Über die Lesung an Bord der MS „Immer bereit“ berichtete der Informant der Staatssicherheit (IM “Kretschmar”), der allerdings nicht anwesend war und die Veranstaltung im Nachhinein protokollierte. Mit der unterschiedlichen Einschätzung der Folgen diese Lyrik-Lesung befasst sich der Dokumentarfilm „In jenem beharrlichen Sommer …“ von Ralph Grüneberger und Gerhard Pötzsch, der am 1. März 2018 um 19 Uhr in der Stadtbibliothek gezeigt wird.
Die Lesenden von 1968, das „Poesiealbum“ aus dem Verlag Neues Leben, das „Poesiealbum neu“ der Gesellschaft für zeitgenössische Lyrik
Die FÜNFZIG bezieht sich zum einen auf die Lesung an Bord des Motorschiffes „Immer bereit“. Die FÜNFZIG bezieht sich aber auch gleichermaßen auf das ab 1967 monatliche Erscheinen von nationaler wie internationaler „Lyrik im Westentaschenformat“ namens „Poesiealbum“, deren erste Nummer Bertolt Brecht galt. 1990 musste der Verlag Neues Leben die Veröffentlichung der Reihe aus wirtschaftlichen Gründen einstellen. 17 Jahre später bewirkte Bernd Jentzsch, ermuntert von dem Bestreben der Lyrikgesellschaft, die Fortsetzung der Reihe im Märkischen Verlag Wilhelmshorst.
Die FÜNFUNDZWANZIG wiederum bezieht sich auf die von Gerhard Oberlin vor 25 Jahren in Tübingen gegründete Gesellschaft für zeitgenössische Lyrik, deren Schirmherrschaft Karl Krolow übernommen hatte und die ihren Sitz Ende 1996 nach Leipzig verlegte, nachdem Ralph Grüneberger im Oktober zum Ersten Vorsitzenden gewählt worden war.
Die FÜNFUNDZWANZIG bezieht sich außerdem auf die von Ralph Grüneberger 2005/2006 initiierte Wiederbelebung des „Poesiealbum[s]“, deren 1. Ausgabe als „Poesiealbum neu“ im Frühjahr 2007 erschienen ist und vornehmlich Gedichte von Ehrenmitgliedern der Lyrikgesellschaft vereinte. Indessen liegen 24 Ausgaben, 2 Sonderausgaben, 3 Hörbücher sowie 2 DVDs mit Poetry Clips nach Gedichten aus dem „Poesiealbum neu“ vor. Und die Nummer 25 mit Gedichten zum Thema „Glück“, die im März 2018 erscheinen wird, ist in Vorbereitung, desgleichen eine DVD mit Gedichtfilmen zu der Ausgabe „Tugenden & Sünden“ des „Poesiealbum neu“.
Dass sowohl Siegmar Faust, Wolfgang Hilbig, Bernd-Lutz Lange und Andreas Reimann Autoren der Zeitschrift „Poesiealbum neu“ sind, lässt auf schöne Weise ein Bindeglied zwischen FÜNFZIG/FÜNFUNDZWANZIG entstehen und findet für die bereits 2008 (26.6. – 22.11.) im selben Haus gezeigte Exposition einen neuen Aspekt.
Die Ausstellung befindet sich im Foyer in der 1. Etage.
https://www.jugendopposition.de/chronik/145547/chronik-des-jahres-1968?_y=1968&_m=06&nid=146542#nid-146542